Reisebericht Tansania 2023
von Susann Scharrer
Es ist wieder soweit: Im September 2023 macht sich ein Teil unseres Teams gemeinsam auf, um unsere Partner:innen in Tansania zu treffen. Für mich ist dies bereits der dritte Besuch im Ursprungsland unseres fair gehandelten Kaffees. Diese Reisen sind für uns unsagbar wertvoll, denn wir lernen jedes Mal viel dazu. Als wir Spätabends in Dar es Salaam aus dem Flughafen treten, schnuppere ich zufrieden. Es riecht nach Tansania – nach Feuerholz und irgendwie würzig auf diese unvergleichliche Art.
Früh am nächsten Morgen geht es weiter in den Norden, ins Anbaugebiet unseres Bio-Robustas in der Kagera-Region. Für mich das erste Mal dort. Wir fliegen nach Bukoba, das wunderschön am Victoriasee gelegen ist. Unser Projektkoordinator Father Lukas Komba begleitet uns.
Bukoba am Victoriasee
Bio-Kaffeeanbau in Kagera
Unser erster Weg führt zur Zentrale der KCU (Kagera Cooperative Union). Die KCU ist ein Zusammenschluss von zahlreichen kleinen Kooperativen, eine Art Dachverband, der die Vermarktung des Kaffees übernimmt. 31 der Mitgliedskooperativen sind Bio-zertifiziert. Wir erfahren einiges darüber, wie die KCU die Einhaltung der Bio-Richtlinien garantiert. Sie hat eigens Angestellte, die mit den Kooperativen arbeiten und diese überprüfen. Wir spüren sofort eine Professionalität, ein Selbstbewusstsein, das im Süden deutlich geringer ausgeprägt scheint. Man merkt, die Leute von der KCU sind alte Hasen im Geschäft und wissen genau, was sie tun.
Zu Gast bei der KCU
Tags darauf geht es übers Land, denn wir besuchen die Kooperative Buhendangabo PCS LTD, von der wir unter anderem unseren Bio-Robusta beziehen. Hier sprechen wir mit einem Teil des Vorstands und weiteren Kaffeeproduzierenden. Mich überrascht die Aussage, dass hier die Farmer:innen privat gerne den eigenen Kaffee trinken – Tansania ist ansonsten ein ausgesprochenes Teetrinker-Land.
Gespräch im Bürogebäude von Buhendangabo PCS LTD. Lilian (Mitte) kontrolliert die Einhaltung der Bio-Richtlinien
Ich frage, ob die Leute mit dem Bioanbau zufrieden sind. Absolut, sagt man mir. Die Farmer:innen würden die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit spüren und der höhere Preis wird sehr geschätzt. Man bestätigt uns, dass dieser die Einbußen durch die geringere Ernte ausgleicht, welche zwangsläufig die Folge des Verzichts auf chemische Dünger und Pestizide ist. Im Süden, in unserer Partnerkooperative Mahenge Amcos, ist dies die größte Angst und stärkstes Hindernis auf dem Weg zur Bio-Zertifizierung. Nur wenige trauen sich bisher, umzustellen.
Bei der Bio-Kooperative Buhendangabo
Wir machen einen Spaziergang zum Feld eines Kaffeebauern ganz in der Nähe und ich bin überrascht. Der Robusta-Kaffee wird in bunter Mischkultur angebaut, direkt zwischen Bohnenpflanzen, Bananenstauden und Vanillesträuchern. Richtig schön.
Gespräch am Feldrand
Im Anschluss zeigen uns die Produzierenden, wie Robusta nach der Ernte verarbeitet wird. Der Vorgang ist mit erheblich geringerem Arbeitsaufwand verbunden als bei Arabicakaffee. Die Kaffeekirschen werden in der Sonne getrocknet. Eine Maschine entfernt die getrocknete Pulpe. Danach wird gesiebt. Es gibt nur eine Qualität – alles, was im Sieb hängenbleibt. Was kleiner ist und durchfällt, verwenden die Bäuerinnen und Bauern selbst. Abschließend wird händisch nachsortiert – fertig.
Sonnengetrockneter Robusta
Zurück in den Süden
Voll mit neuen Eindrücken geht es tags darauf zurück nach Dar es Salaam und von dort in die Region Ruvuma, in die Stadt Mbinga. Uns begeistern die zu dieser Jahreszeit lila blühenden Jakaranda-Bäume überall entlang der Straßen. Es ist ein bisschen wie heimkommen. Wir treffen auf viele lieb gewonnene Menschen und werden herzlich empfangen.
Jakaranda-Baum in Blüte
Gleich am ersten Nachmittag steht ein Termin mit dem Management-Team von Mahenge Amcos an. Wir sprechen über interne Probleme, mit denen die Kooperative gerade zu kämpfen hat – der Grund, warum die Mahenge Secondary School bisher nicht eröffnet werden konnte. Die Preisverhandlungen über die neue Ernte, die wir diesmal wohl fast komplett abnehmen können, sind schnell beendet und alle sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Mit dem neuerlichen Fairtrade-Premiumgeld kann die Kooperative an der Schule weiterbauen.
Im Gespräch mit Mahenge Amcos
Unser Geschäftsführer Jochen Hackstein fragt nach dem Status in Sachen Umstellung auf Bio-Anbau und wir erfahren, dass es langsam aber stetig vorangeht. Damit ist unser wohl wichtigster Termin der Reise auch schon vorbei.
Abends treffen Franziska und ich bei einem Spaziergang zufällig auf einige Mädchen, die im St. Willhelm-Wohnheim leben, das wir mit unserem Projektkaffee „Kinder mit Albinismus“ unterstützen. Sie begleiten uns eine Weile und wir lachen gemeinsam. Es ist schön zu sehen, wie unbeschwert sie sind.
Gemeinsamer Abendspaziergang
Kochkurs auf tansanische Art
Am nächsten Tag geht es ins Dorf Utiri zu einem ganz besonderen Erlebnis. Eine Gruppe von Frauen wird uns die Zubereitung tansanischer Gerichte zeigen. Als wir eintreffen, gibt es ein großes Hallo und meine Kollegin Franziska und ich bekommen eigens angefertigte Kochschürzen und -mützen angelegt.
Voll integriert im Kochteam
Franziska möchte für den WÜPAKA ein Kochbuch schreiben und macht sich viele Notizen. Die Frauen sind super nett und haben bereits eine Menge vorbereitet. Sie zeigen uns alle Zutaten und erklären uns viel. Beim Schnippeln von Gemüse wird geplaudert. Gekocht wird über offenem Feuer, alles wird frisch zubereitet. Man zeigt uns, wie hier Kokos geraspelt wird und vieles mehr. Der Duft von Feuerholz, Knoblauch und Ingwer liegt in der Luft. Das Ganze dauert mehrere Stunden, dann dürfen wir alles probieren und sind begeistert.
Viele Infos zur tansanischen Küche für Franziska
Ebenfalls in Utiri zeigt uns Father Lukas, was mit unseren Spendengeldern in Höhe von 4.000 Euro für das Wohnheim der Grundschule passiert ist. Neben stabilen Stockbetten wurde ein neues Tor angeschafft und Renovierungen an den Sanitäranlagen durchgeführt. So können die Kinder sicher und behütet übernachten.
Lukas und Jochen mit den neuen Stockbetten
Besuch bei der Nuru Group
Tags darauf freue ich mich besonders, in Mbinga die wunderbaren Frauen von der Nuru Natural Products Group wiederzusehen. Von ihnen beziehen wir unsere leckeren gerösteten Erdnüsse. Bei meinem letzten Besuch standen sie noch ganz am Anfang ihrer unternehmerischen Tätigkeit und träumten davon, eine Maschine zur Seifenherstellung zu kaufen. Seitdem hat sich viel getan. Durch unsere Spende wurde die Maschine tatsächlich angeschafft. Die Frauen verkaufen Seife für den lokalen Markt. Es ist bewegend, zu hören, wie sich seitdem ihre Lebensumstände verbessert haben. Sie wirtschaften gut und können sich durch den Gewinn gesündere Ernährung leisten sowie Schuldgeld für ihre Kinder. Schriftführerin Judith erzählt, dass sie in der Stadt nun einen gewissen Status haben, empowert sind. Eine ältere Dame namens Gerda hat Tränen in den Augen, als sie berichtet, dass sie früher nur einsam zuhause saß, durch die Gruppe nun etwas tun kann und nicht mehr alleine ist. Ich freue mich riesig für die Frauen.
Susann und Franziska mit der Nuru Group
Wir sprechen lange darüber, ob sie auch Seife für unsere deutschen Kund:innen herstellen könnten und welche Inhaltsstoffe dafür in Frage kämen. Vielleicht eine Kaffeeseife? Die Frauen schlagen mir die Verwendung von Kokosöl vor und ich frage, ob sie vielleicht auch Gewürze einarbeiten könnten, damit die Seife fein duftet. Ich bin gespannt auf die ersten Proben, die wir in ein paar Monaten erwarten.
Gespräch über Seifenherstellung
Neue Geschäftsideen
In unserer Zeit in Mbinga besuchen wir auch die Ausbildungsschneiderei, für die wir letztes Jahr 3.200 Euro spendeten, damit Nähmaschinen angeschafft werden konnten. Wir schlagen vor, dass die Auszubildenden sich etwas dazuverdienen können, wenn sie Taschen für uns nähen, die wir dann in Deutschland verkaufen wollen. Das kommt gut an. Franziska erklärt, worauf es ankommt, und so schneidern die Frauen erst einen Prototyp und dann noch eine kleine Anzahl Taschen aus wunderschönen Kitenge-Stoffen und Haargummis für uns, die wir direkt am letzten Tag mitnehmen können.
Die Taschen sind fertig
Des weiteren besuchen wir noch eine lokale Rösterei, die richtig gut läuft und bereits in ganz Tansania Kaffee verkauft. Wir träumen davon, vielleicht eines Tages hier einen Teil unseres Kaffees rösten zu lassen, damit noch mehr Wertschöpfung im Land bleiben kann. Wir werden sehen, ob sich dies als gangbar erweist.
Zurück in die Heimat
Erfüllt von zahlreichen Eindrücken, neuen Ideen und einem nach vielen spannenden Gesprächen tieferen Verständnis für die tansanische Mentalität geht es auch schon wieder zurück nach Deutschland. Auch diesmal wieder lässt mich die Reise erfüllt, aber auch nachdenklich zurück. Wunderbares Tansania, du fehlst mir jetzt schon. Asante sana – und hoffentlich bis bald!